06 November 2011

Piet, Bernhard, Christel, ihre Freundin, Bianca und ich.

Irgendwie war wohl Sonntag und wir waren siebzehn, Piet und ich. Vielleicht auch erst sechzehn, das tut nicht so viel zur Sache, wenn Sonntag ist und man sich langweilt in einer kleinen Stadt, in der das Tunkönnenvakuum am Sonntag noch viel größer ist als sonst. Links Gegend, rechts Landschaft und in der Mitte gewaltige Mengen Nichts.

Piet hatte am Samstagabend vorher eine Spitzhacke von einer Baustelle mitgenommen und sie in den Vorgarten seiner Eltern geschleift. Anstrengend war das gewesen, die Spitzhacke war unhandlich und Piet hatte viele Biere getrunken. Er musste sie hinter sich herschleifen. Am nächsten Morgen fragte seine Mutter: "Was steht da im Vorgarten?" und Piet sagte "Kunst.". "Ach so." sagte Piets Mutter. Sie nahm sowas immer so hin. Ich fand das gut. Mit meiner Mutter wäre das nicht gegangen. Es hätte lange Gespräche gegeben und ein langes und anstrengendes Hinterher. Bei Piets Eltern reichte "Kunst" als Begründung vollkommen aus. Wahrscheinlich hatte er deswegen auch so viele gute Einfälle.

"Los, wir gehen heute ins Kino, Bernhard und Bianca." sagte er am Sonntag. "Nachmittagsvorstellung, da ist kaum einer da." Der Plan war, Haschisch zu rauchen und hernach in Begleitung der Mäusepolizei sehr viele Tüten Gummibärchen zu essen. Ein guter Plan, der zunächst weitestgehend aufging. Wir schwoberten also im dumpfen Kiffkichernebel auf die besten Plätze im Kino. Mittemitte, Kinoprofiplätze. Ganz vorne saßen vier kleine Kinder. Sonst niemand. Piet und ich schoben zufrieden unsere Hintern nach vorne auf die Sitze. Klemmten die Knie an die Lehnen der Vordersitze und machten das erste Bier auf, in freudiger Erwartung bunter Bilder, als das Unheil in Form zweier dicker alter Damen zum Kino hereinkam.

"Christel, hier vorne isses gut!" sagte die eine dicke Dame zur anderen. Unfassbarerweise zwängten sie sich direkt in die Reihe vor uns, die riesige Oma Christel und ihre Freundin. Sie nahmen genau vor uns Platz und füllten die Leinwand nun zentral mit ihren zwei mächtigen Omaturmfrisuren aus. "Das gibts doch gar nicht." zischte Piet. "Das können die doch nicht machen, ich seh ja gar nichts mehr." Die Plätze zu wechseln kam aus mehreren Gründen nicht in Frage. Bei aller Coolness waren wir so grundspießig wie alle Jungmenschen. "Wir waren zuerst da." rangierte also ganz vorne auf der Gründeliste, dicht gefolgt von "Wir können uns nicht mehr so gut bewegen, denn wir sind sehr bekifft.". Bernhard und Bianca trafen schon den Albatross und Evinrude, als Piet in seiner Not hinter den Turmfrisuren ein Kampflied zur Omachristelabwehr ersann.

Leider sind wir damit später nicht berühmt geworden, aber wir lachten noch gefühlte drei Wochen später. Es ist der Beweis dafür, dass der Poet stets aus dem Leid schöpft. Oma Christel und ihre Freundin blieben selbstverständlich den ganzen Film über ungeachtet unseres Kampfgesangs sitzen. Piet und ich singen es trotzdem jedes Mal, wenn wir uns wiedersehen. Es geht so:


Wir hau'n ihr auf den Kopf!
Wir hau'n ihr auf die Fistel!
Kommt alle zusammen und tötet Omma Christel!

Wir rufen's in New York!
Wir rufen es in Bristol!
Kommt alle zusammen und tötet Omma Christel!





Flavour heute: Sonntagslängen

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